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Rückblende: The Who – Up, Up And Away

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Rückblende: The Who – Up, Up And Away

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Townshend wurde klar, dass er TOMMY am besten ersetzen konnte, indem er auf die Anfangstage von The Who zurückblickte. In den frühen 60ern hatten sie für eine loyale Gefolgschaft Londoner Mods gespielt. Ihre anfänglichen Hits wie ›I Can‘t Explain‹ und ›My Generation‹ waren genau für jene dys- funktionalen Jugendlichen geschrieben worden, die Townshend bei jedem Gig sah. Die angesag- ten Klamotten und Frisuren waren lediglich eine Maske: Er erkannte sein eigenes zerrissenes Wesen in diesen Dandy-Mods. Doch die Mods hatten The Who schon lange hinter sich gelassen. Townshend fragte sich jetzt, wie es wäre, sich in den Kopf eines dieser frühen Fans zu versetzen. Die Figur Jimmy, die er erschuf, sollte eine Kombination aus den vier so verschiedenartigen Charakteren von The Who sein. Die Geschichte würde QUADROPHENIA heißen. „Sie drehte sich um einen Tag oder ein paar Tage im Leben eines Jungen, der von allen verlassen wurde – seinen Eltern, seiner Freundin, seinem Held und seiner Lieblingsband“, sagte Townshend. „Es geht um einen Mod und sein Verhältnis zu dieser Band, die sich in himmlische Gefilde begibt und dennoch die vier Spiegel seines Charakters mitnimmt; sie nehmen seine Seele mit.“ Wenngleich seine Bandkollegen nicht jede Nuance dieser Story verstanden, kamen darin wenigstens kein Netz, keine Drähte und keine Instrumente vor, die aus dem Boden wuchsen.


Im Sommer zogen The Who in ihr eigens aufgebautes Studio Ramport in Battersea um. Es gab da nur ein Problem: Es war noch nicht fertig. Townshend weigerte sich, zu warten, und ließ das mobile Studio des The-Faces-Bassisten Ronnie Lane davor parken und die Kabel in den halbfertigen Raum legen. Townshends Begeiste- rung war verständlich, doch die Musik auf QUADROPHENIA war komplex und der Versuch, die Klänge in seinem Kopf in einem halbfertigen Studio zu kreieren, konnte nur in einem Desaster enden.

Kit Lamberts Versuche, das Album zu produzieren, waren ähnlich katastrophal. Er war oft betrunken und schien vor jedem Heroindealer in London auf der Flucht zu sein. Als Townshend herausfand, dass er hinter seinem Rücken Bänder gelöscht hatte, drohte er, ihn zu schlagen. Lambert wurde gefeuert.

Townshend war so vertieft in seine Arbeit gewesen, dass ihm das Ausmaß des Verfalls sei- nes Managers nicht klar geworden war. Daltrey allerdings schon. Der Sänger verzweifelte an Lamberts und Stamps Verhalten und hatte den Verdacht, dass sie finanzielles Missmanagement betrieben. Er verlangte eine Prüfung und fand heraus, dass „wir abgezockt worden waren“. Track Records hatte Schulden von Tausenden Pfund, und The Who stand viel mehr Geld zu. Daltreys Wut wurde von Lamberts Weigerung, sein Soloalbum zu veröffentlichen, nur noch verstärkt, da er Angst hatte, ihn an eine Solokarriere zu verlieren. Das Album, DALTREY betitelt, war eine Sammlung von Balladen, größtenteils von einem noch unbekannten Songwriter namens Leo Sayer geschrieben.

1971 hatten Lambert und Stamp Bill Curbishley, einen Kinderfreund von Stamp, zu Track Records geholt. Er war smart, ehrgeizig und vor allem nüchtern. Daltrey fand in ihm einen Verbündeten und bat ihn, die Veröffentlichung seines Soloalbums gegen eine Gewinnbeteiligung zu arrangieren. Innerhalb von zwei Jahren wurde Curbishley zum Manager von The Who. Lambert und Stamp hingegen, die The Who in den frühen Jahren entscheidend mitgeformt hatten, fanden sich in der Wildnis wieder.

Als Townshend erfuhr, dass QUADROPHENIA im Oktober erscheinen sollte, bekam er Panik. Die Stücke waren fertig, aber er hatte Monate dafür veranschlagt, den quadrofonischen Mix zu verfeinern. The Who wollten das Album mit einer quadrofonischen Anlage aufführen. Sie mussten auch Backing-Bänder der zusätzlichen Instrumente und Klangeffekte für das Album vorbereiten. Jetzt, wo sowohl für die Veröffentlichung, als auch die Tour Deadlines bevor standen, fingen Townshends Pläne an, zu zerbrechen.

Obwohl QUADROPHENIA sowohl in Großbritannien als auch in Amerika Platz 2 erreichte, betrachtete Townshend es wie WHO‘S NEXT als einen Kompromiss. Es klang nicht so, wie er oder Daltrey es gewollt hatten. Frustrierenderweise enthielt es dennoch Lieder, die mit denen auf TOMMY und WHO‘S NEXT mithalten konnten. Auf ›Love Reign O‘er Me‹, ›5:15‹ und ›The Real Me‹ hatte Daltrey die Darbietungen seines Lebens gegeben.

Im September gingen The Who in die Shepperton-Studios für die Tourproben. Niemand kann sich an die genauen Begebenheiten erinnern, die dazu führten, dass Daltrey Townshend bewusstlos schlug. Letzterer gab zu, dass er reichlich Brandy intus hatte, als er an jenem Tag im Studio ankam. Daltrey hatte stundenlang gewartet. Temperamente brandeten auf. „Das Letzte auf dieser Welt, was ich wollte, war eine Schlägerei mit Pete Townshend zu haben“, sagte der Sänger. „Leider schlug er mich mit seiner Gitarre.“

Ein einziger Haken von Daltrey reicht aus, um Townshend auszuknocken. Augenzeugen erinnern sich, wie der Sänger über dem niedergestreckten Körper seines Bandkollegen stand und sich entschuldigte, auch dann noch, als der Krankenwagen ihn wegbrachte. Aber angesichts des Alkohols, der Drogen, des finanziellen Ärgers und Townshends Unnachgiebigkeit war es ein Wunder, dass es nicht schon früher passiert war.

Die beiden konnten weitere Handgreiflich- keiten vermeiden, doch die folgende Tournee war von Problemen gezeichnet. Townshends brillante Fantasie hatte sich wieder etwas ein- fallen lassen, das The Who nicht zufriedenstel- lend wiedergeben konnten. Normale Hallen hatten keinen Platz für alle vier Lautsprecher- reihen des quadrofonischen Systems, Keith Moon konnte kaum mit den Backing-Bändern Takt halten, die nötig waren, um QUADRO- PHENIA auf die Bühne zu bringen, und die Bänder selbst waren gleichsam unzuverlässig.

Im Newcastle Odeon kam der Tape-Sync für ›5:15‹ 15 Sekunden zu spät. Townshend packte sich den Tontechniker Bob Pridden und zerrte ihn auf die Bühne. Dann begann er wütend, die Bander und das Mischpult zu zerstören. Der Büh- nenvorhang wurde gesenkt. Nach zehn Minuten erschienen The Who wieder und Daltrey stimmte ›My Generation‹ an. Ihr angsterfüllter Hit von 1965 schien das perfekte Gegenmittel für ihre komplexe und „unspielbare“ neue Musik.

Zwei Monate später im Cow Palace in San Fran- cisco hatte Keith Moon schließlich seinen großen Zusammenbruch. Vor dem Konzert hatte der Drummer drei Pellets Elefanten-Tranquiliser geschluckt. Nachdem er bei ›Won‘t Get Fooled Again‹ über sein Schlagzeug gekippt war, f iel er in Ohnmacht und musste von der Bühne getragen werden. Statt das Publikum zu fragen, ob ein Arzt anwesend war, bat Townshend um einen Drum- mer. Ein 19-jähriger Student namens Scott Halpin bot seine Dienste an und spielte drei Stücke mit The Who. Ein Moment ganz im Sinne von LIFEHOUSE: ein Fan, der aus dem Publikum gepickt und Teil der Band wird. Vielleicht war es das, was sich Townshend im Young Vic vorgestellt hatte?

Im Dezember, zurück in London, nahm er im Rainbow Theatre im Zuschauerraum Platz, um Lou Reizners Bühnenadaption von TOMMY zu sehen. Im Ensemble waren Bill Oddie, der damali- ge „Doctor Who“ Jon Pertwee sowie Roger Daltrey als Tommy. An jenem Abend sah Townshend den Frontmann zum ersten Mal aus der Perspektive des Publikums. Er war beeindruckt. „Er projizierte sich in die Menge“, sagte er. „Seine Technik war die eines erfahrenen Bühnenschauspielers.“

Ein Jahr später übernahm Daltrey die Rolle erneut für die Filmfassung. QUADROPHENIA hatte TOMMY nicht übertreffen können, Townshend hatte Lambert nicht davon abhalten können, seinen Film zu machen. Und nun drohte sein Frontmann auch noch, ein Filmstar zu werden.

Doch erstaunlicherweise überlebten The Who. Allerdings wagten sie sich nie wieder an etwas so Hochtrabendes wie LIFEHOUSE oder QUADROPHENIA, obwohl sich Townshend 1999 noch einmal für ein BBC-Radio-Drama mit Ersterem befasste und ein Jahre später das Boxset THE LIFEHOUSE CHRONICLES veröffentlichte.

The Who haben auch QUADROPHENIA remastert und erweitert, um es dem anzunähern, was sie sich 1973 vorgestellt hatten.

Ob WHO‘S NEXT, QUADROPHENIA oder die Musik, die in die Lücke dazwischen fiel: The Whos Material der frühen 70er setzte Maßstäbe, die sie nie wieder erreichen sollten. Es klingt noch immer so, als würde Townshend nach etwas greifen, das nur ein bisschen außerhalb seiner Reichweite liegt, und es scheint immer noch so, als würde Daltrey ihn wieder auf die Erde zurück holen. „Pete ist ein Genie“, behauptet der Sänger. „Aber er ist verdammt anstrengend.“ Damals wie heute ist es dieser Konflikt, der The Who so besonders macht.

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