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Roger Waters: Fliegende Trumps

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Roger Waters: Fliegende Trumps

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Würde ein Album wie THE DARK SIDE OF THE MOON heute noch Umsätze erreichen wie in den 70ern und 80ern oder wäre es zu anspruchsvoll für den Mainstream?
Ich fürchte, es wäre ein ziemlicher Ladenhüter, weil sich kaum jemand die Zeit nehmen würde, es in Ruhe zu hören. Denn das verlangt das Album. Aber damals fanden es die Leute spannend und interessant, sich 40 Minuten Musik in einem Rutsch anzuhören, die einen Anfang und ein Ende hat, auf die man sich konzentrieren musste und die vor allem eine Bedeutung hatte. Heute hören die Leute nur noch ein Stück eines bestimmten Künstlers, aber der Rest seines Werks – ob gut oder schlecht – interessiert sie nicht. Es ist ein Trauerspiel. Und ich wünschte, da wäre ein bisschen mehr Raum und ein bisschen mehr Musikbesessenheit. Eben damit der nächste Neil Young, der nächste John Prine oder John Lennon die Chance erhält, uns mit seinem Herzschmerz zu beglücken. Eben damit wir noch ein bisschen mehr über Liebe lernen, wieder bewusster Musik hören und mehr Verständnis für unsere Umgebung entwickeln.

roger waters is this the life we really want

Das sind sehr hehre, anspruchsvolle Ideale…
Durchaus. Aber man darf nicht vergessen: Als wir unser erstes Album aufgenommen haben, THE PIPER AT THE GATES OF DAWN, da waren wir in Studio 3 von Ab­­bey Road – und die Beatles waren in Studio 2, wo sie an SGT. PEPPER’S LONELY HEARTS CLUB BAND arbeiteten. Das war ein Album, das alles verändert hat. Das eine echte Revolution auslöste – und mit dem die Beatles dem Rest von uns erlaubten, über unsere wahren Gefühle und unser echtes Leben zu reden, statt irgendwelche abgegriffenen Klischees zu bemühen. Sie haben quasi das Spülbecken in die populäre Musik eingeführt. Denn davor haben Johnnie Ray oder Tommy Steele den Blues gesungen oder im Regen geweint. Plötzlich ging es um ›Penny Lane‹, um Irrenanstalten oder ›Eleanor Rigby‹. Um das, was sie erlebten und fühlten. Was sehr wichtig war.

Im Sinne von: Popmusik hat eine neue Identität entwickelt?
Ja, nehmt nur Chuck Berry, der ja leider verstorben ist. Bands wie die Rolling Stones haben ihm ihre gesamte Karriere zu verdanken. Die ersten Jahre haben sie nichts anderes gemacht, als seine Songs zu co­­vern. Und so ist die afrikanische Musik nach Europa gekommen. Eben durch den Sklavenhandel, durch New Orleans, den Chicago Blues – hin zu uns Kids, die nachts im Bett lagen und heimlich Radio Luxemburg oder den amerikanischen Soldatensender hörten und diese unglaublich bewegende Musik erlebten: Huddie Ledbetter, Bessie Smith und wie sie alle hießen. Wir hörten das und dachten: „Wow, das ist ja mal was ganz anderes. Etwas Echtes.“

Was deine Generation dem Blues hinzugefügt hat, sind Lautstärke, Hall und Feedback…
Und die verwende ich immer noch. Auch, wenn diese Zutaten nicht gut für mich sind. Es ist ja nicht ohne Grund so, dass ich heute eine Hörhilfe brauche, weil ich keine hohen Frequenzen mehr wahrnehme. Das gilt für so ziemlich alle in meiner Branche. Nur: Das ist ein relativ kleiner Preis, den ich für ein ansonsten tolles Leben bezahlt habe. Ich habe jede Minute davon genossen. Na gut, nicht jede…

Spielst du auf den langjährigen Rechtsstreit mit Pink Floyd an?
Eine schlimme Zeit. Die Trennung hat für mich eine riesige Zäsur dargestellt. Und sie war sehr intensiv und feindselig. Es hat mich eine Menge Zeit gekostet, um das loszuwerden und zu erkennen, wo die Probleme liegen – also was die Leute an mir stört. Eben der Mist von wegen: „Er hat die anderen keine eigenen Stücke schreiben lassen.“ Fickt euch! (lacht) Ich habe niemanden vom Schreiben abgehalten. Aber egal, ich will das nicht vertiefen, weil es ein Quell ewiger Freude ist. Im Ernst: Ich habe genug davon. Es hat mich krank gemacht. Ich war 20 Jah­re in Therapie, um das hinter mir zu lassen.

Demnach bist du heute woanders? Sprich: Du hast diese Phase überwunden?
(lacht) Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich langfristig noch gewinnen würde. Schließlich hat sich das gesamte Pink-Floyd-Publikum 1987 von mir abgewendet. Als die an­­deren wieder anfingen, zu touren, hat es mir einfach den Rücken zugedreht. Ich musste winzige Shows vor einer Handvoll Zuschauern spielen – während sie Stadien füllten. Aber inzwischen scheinen die meisten zu kapieren, mit wem sie es zu tun haben. (lacht)

Wie stehst du zu den aktuellen Anti­semitismus-Vorwürfen, die gegen dich erhoben werden?
Als Sohn eines britischen Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen ge­­tötet wurde? Und als Bewohner von New York, dem multikulturellsten Ort der Welt? Wer mich so bezeichnet, kennt mich nicht. Ich bin lediglich jemand, der sagt, was er denkt. Und das scheint einigen nicht zu ge­­fallen.

Nimmt man es dir übel, dass du Kollegen wie Radiohead dazu aufrufst, Auftritte in Israel zu vermeiden, solange der Palästinenser-Konflikt nicht gelöst ist?
Ja, ich verfolge die Ziele der BDS – „Boycott, Divestment And Sanctions“. Eine gewaltfreie Protestbewegung, die von der palästinensischen Zivilgesellschaft gestartet wurde. Damit bin ich erstmals 2006 in Berührung gekommen, als ich für ein Konzert in Israel war. Da haben mich die BDS-Leute überzeugt, dass alle Menschen, die in dieser Region wohnen, dieselben Rechte haben sollten. Nämlich einen An­­spruch auf Eigentum, auf Ausübung ihrer jeweiligen Religion und Selbstbestimmung. Das gilt für unsere jüdischen Freunde in Israel wie für all unsere palästinensischen und arabischen Freunde in den besetzten Ge­bieten. Nur: Ich habe nicht vor, Israel zu zerstören, und ich habe überhaupt nichts gegen Juden. Sie haben mir vorgeworfen, ein Antisemit zu sein, weil das wohl die einzige Art ist, wie sie meine Position, also die Position des BDS, attackieren können. Das ist alles – und das ist eigentlich verdammt traurig.

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