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Jethro Tull: Ian Anderson im Interview

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Jethro Tull: Ian Anderson im Interview

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Bei The Blades spieltet ihr Blues, genauso wie mit dem ersten Line-up von Jethro Tull 1967 …
Wenn man damals einen Gig spielen wollte, ganz zu schweigen, einen Plattenvertrag an Land zu ziehen, musste man Blues oder Pop machen. Aber etwas weiter außerhalb gab es auch Captain Beefheart und die Graham Bond Organization – beide unterschieden sich sehr vom klassisch amerikanischen Blues –, die für die Entwicklung von Jethro Tull sehr entscheidend waren. Und diese Wegweiser wurden im Sommer 1967 immer stärker, als Pink Floyd THE PIPER AT THE GATES OF DAWN und die Beatles SGT. PEPPER veröffentlichten. Diese Platten gaben mir Energie – sie zeigten, dass man außerhalb des 12-Bar-Blues oder der Popmusik etwas ganz anderes machen konnte.

1967 hast du auch erstmals eine Flöte in die Hand genommen.
Ich spielte Gitarre und Mundharmonika, aber als Gitarrist wäre ich nie so gut geworden wie ein Eric Clapton. Ganz einfach. Also verabschiedete ich mich von meiner Fender Strat, die ich von Lemmy Kilmister erworben hatte, der damals noch bei den Rockin’ Vickers spielte. Stattdessen kaufte ich mir eine Flöte, einfach so. Sie sah schön aus und glänzte.

War es einfach, Flötespielen zu lernen?
Anfangs brachte ich keinen Ton aus dem Ding. Ich packte sie zurück in den Koffer und rührte sie sechs Monate lang nicht mehr an, bis jemand mal zu mir meinte: „Man bläst nicht direkt in das Loch, man bläst schräg darüber“. Und plötzlich kam eine Note nach der anderen heraus. Binnen einer Woche konnte ich Blues-Solos spielen und die Flöte wurde Teil unserer Liveshows. So also beginnt die Geschichte von Jethro Tull mit dem einen Typen, der in der Mitte steht und einbeinig Flöte spielt.

Immer auf demselben Bein?
Ja, schon seit ich damals im Marquee Club angefangen habe, Mundharmonika zu spielen, stehe ich immer auf dem rechten Bein.

Obwohl du von psychedelischen Klängen beeinflusst warst, klingt das erste Tull-Album THIS WAS von 1968 recht blueslastig.
Ja. Der Gitarrist Mick Abrahams liebte Blues und R’n’B. Er war etwas älter als der Rest von uns, er war also der Typ, der wusste, was er machen will. Als ich für die zweite Platte anfing, Gitarrenparts zu schreiben, hat sich das nicht wirklich mit Mick vertragen. Es war ein sehr wichtiger Moment, als Mick die Band verließ und Martin Barre im Januar 1969 einstieg. Martin hat sofort verstanden, worauf ich hinauswollte.

Und das war was genau?
Das war eher eine eklektische Angelegenheit. Wir brachten Elemente westlicher klassischer Musik, asiatischer Musik und sogar Kirchenmusik zusammen – der Anfang einer leicht spirituellen Ausrichtung inklusive harter, treibender Rocksongs. All diese Ideen waren bereits in meinem Kopf, aber es brauchte teilweise den Input von Martin Barre. Er war ein sehr unfertiger, ungeformter Gitarrist. Wir fummelten also zusammen an der Musik herum und genau das half ihm dabei, einen Stil als Songwriter und
Musiker zu entwickeln.

Hatten Tull bei der zweiten LP, STAND UP von 1969, ihren Sound definiert?
STAND UP war das erste wirklich wichtige Album. Plötzlich klangen wir nicht mehr wie die anderen, wir als Band wurden sehr individualistisch, wir hatten den Blues hinter uns gelassen. Diese Platte war melodiös und auch rhythmisch gesehen relativ abenteuerlich, wobei ich nicht wirklich von Prog-Rock sprechen würde, einfach, weil manches davon ganz und gar keine Rockmusik war. Aber damals kam in der britischen Presse eben erstmals der Begriff „Progressive Rock“ auf, um Bands wie Yes, King Crimson oder Jethro Tull zu beschreiben. Etwas später gab es dann Emerson, Lake & Palmer und die frühen Genesis, wobei es sich der Prog-Rock da schon selbst schwer machte.

Speziell bei ELP und Genesis?
Ich war nie Fan von Genesis, aber ihr musikalisches Können war unglaublich. ELP waren einfach totale Angeber. Jedoch wurde Greg Lake, den ich früher nie ausstehen konnte, in den Jahren vor seinem Tod zu einem engen Bekannten.

Für jemanden, der als Synonym für Prog-Rock betrachtet wird, wirkst du etwas desinteressiert an dem Begriff.
Ich nehme das einfach mit einem gutmütigen Schmunzeln wahr, ein wenig, wie Rick Wakeman das auch tut. Du brauchst einen Sinn für Humor. Als ich ELP kennenlernte, konnten sie irgendwie noch über sich selbst lachen. Rick Wakeman in seinem Umhang ist der Proto-Schurke des Prog-Exzesses, sowohl musikalisch als auch in seinem ganzen Auftreten generell. Er weiß, dass das ein bisschen witzig ist. Für manche Leute ist Jethro Tull eine Prog-Band, für andere eine Folk-Rock-Band oder sogar eine Hardrock-Band.

Und was ist Jethro Tull für dich?
Eine Überschneidung vieler kleiner Verschiebungen. Jethro Tull kann man nicht so einfach eintüten wie beispielsweise Status Quo.

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