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Fischer-Z: „Der Brexit ist ein ständiger Schmerz“

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Fischer-Z: „Der Brexit ist ein ständiger Schmerz“

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1977 wurden Fischer-Z von John Watts gegründet, als er noch Psychologie studierte und in der Psychiatrie als Arzt im Praktikum arbeitete. Mit dem Album RED SKIES OVER PARADISE (1981) gelang ihnen dank mehrerer Hitsingles wie ›Marliese‹, ›Berlin‹ oder ›Cruise Missiles‹ der kommerzielle Durchbruch. In den letzten 45 Jahren teilten sie sich mit so unterschiedlichen Musikern wie James Brown, The Police, Dire Straits, Bob Marley, The Stranglers und Peter Gabriel die Bühne. Mit TRIPTYCH liegt nun ihre mittlerweile 14. Studioplatte vor.

John, wie hast du damals mit Fischer-Z angefangen?
Wir kamen aus dem Zeitalter des Post-Punk und der New Wave und sahen uns ein bisschen als Kunststudenten-Punks, weil wir sehr mit Design, Kunst und artifiziellen Lyrics verdrahtet waren. Ich meine, Captain Beefheart und seine Gang funktionierten in meinem Bewusstsein viel eher wie eine Punkband, weil sie Dinge machten, die sehr anders waren. Wir vermengten die Energie des Punk mit vielen Melodien. Was dazu führte, dass die Leute sich mit unserer Musik befassen wollten. Bands wie Velvet Underground oder XTC fühlte ich mich zum Beispiel inhaltlich und gedanklich sehr nahe.

Würdest du sagen, dass die 1980er-Jahre das wichtigste Jahrzehnt für Fischer-Z waren?
Klar, ich liebe die 1980er – keine Frage. Und wenn ich in meinen Gedanken krame, kann ich das auch echt genießen. Aber als Künstler
probierst du immer, den berühmten Schritt nach vorne zu gehen. Wenn wir heute auftreten, spielen wir natürlich auch die Klassiker von früher, denn das wollen die Leute ja auch hören. Dazu bringen wir neue und experimentelle Akzente mit. Früher habe ich The Clash dafür bewundert, wie sehr sie ihre Songs aus allen möglichen Einflüssen gespeist haben – allein wie sie mit Reggae umgegangen sind, absolut fantastisch. Ich versuche, mich zu öffnen und alles aufzunehmen, was um mich herum passiert. Ich würde sagen, dass ich aus einer Anti-Establishment-Haltung Rock’n’Roll mache.

Ich musste bei eurem neuen Album ein paarmal an die Band Big Country denken. Wer hat dich musikalisch beeinflusst?
Ich denke, wenn man anfängt, sich als Heranwachsender im Großraum Musik zurechtzufinden, dann wird man von verschiedenen Dingen beeinflusst. Ich war begeistert von Leuten, die in ihrer kleinen Welt irgendwie anders als die anderen waren. Das fing bei kauzigem Blues an, ging weiter mit obskuren Jazz-Sängerinnen bis hin zu völlig unbekanntem Avantgarde-Zeug, das John Peel in seiner Radioshow spielte. Aber irgendwann stellst du fest, dass du dich zu oft um deine eigene Achse drehst.

Ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen?
Wenn du so viel Musik gemacht hast wie ich, ist der größte Einfluss auf das, was du in deinem stillen Kämmerlein herstellst, nun mal dein eigenes Werk. Mittlerweile habe ich, wenn man meine Solo-Platten und Nebenprojekte mitzählt, für 28 Alben Lieder geschrieben. Manches davon ist ganz okay, manches vielleicht nicht ganz so gut. Auf TRIPTYCH habe ich drei verschiedene Grundthemen − persönliche, politische und psychologische Stücke. Es gibt also diesen inhaltlichen roten Faden, der sich durchzieht und an ein Triptychon erinnert. Meine Stimme klingt immer noch ziemlich gleich, das ist unser Markenzeichen − auch wenn ich es in meinem etwas betagten Alter nicht mehr schaffe, die ganz hohen Töne genauso zu treffen wie noch vor 40 Jahren. Meine Gruppe ist inzwischen ganz familiär aufgestellt, meine Tochter Leila singt mit mir zusammen, das Schlagzeug bedient mein Stiefsohn Jamie. Die gesamte Platte haben wir übrigens in Südfrankreich aufgenommen.

In deinen Texten bist du immer noch wütend und böse …
Das muss ich auch sein. So ist zum Beispiel ›Amoral Vacuum‹ entstanden, als ich mich länger mit Boris Johnson beschäftigt hatte. Er ist ein Karrierist ohne jeden moralischen Kompass. Gerade den Menschen im Norden von England ist schon so oft ein viel besseres Leben versprochen worden, doch das haben sie nicht bekommen. Im Gegenteil – von Jahr zu Jahr erleben sie noch mehr Kürzungen im Sozialbereich. Aber es geht auf dem neuen Album auch um andere Geschichten, in ›Sensual Beings‹ geht es um den biochemischen Prozess, durch den Depressionen entstehen. Ich habe eine Zeit lang Psychologie studiert − und auch wenn das schon über vier Jahrzehnte her ist, interessiert es mich noch immer.

Wie empfindest du den Brexit?
Ach, hör mir auf − der Brexit ist für mich ein ständiger Schmerz. Ich habe ganz große Probleme damit. Ein Teil meiner geschäftlichen Beziehungen wird von Hamburg aus gesteuert − und ich kann jetzt nicht mehr einfach nach Deutschland reisen. Ich brauche dazu ein offizielles Visum, es ist teuer und beinhaltet viel behördlichen Papierkram, dazu eine Menge Zeit und Nerven. Vorher, als die Briten noch Teil der Europäischen Union waren, war es egal, ob ich nach Barcelona, München oder Oslo reiste. Heute ist alles kompliziert. Und diese Komplexität hat sich in die Politik übertragen. Die Linke und die gesellschaftliche Mitte können sich nicht mehr einigen, und am Ende profitieren die Rechten davon. Es ist einfach nur noch grausam.

Was glaubst du, wie es mit der Rolle von Europa weitergeht?
Die Geschichte hat uns schon immer gezeigt, dass militärische und wirtschaftliche Macht zusammenpassen müssen, sonst funktioniert es einfach nicht. Wenn etwa Deutschland als großer wirtschaftlicher Motor ins Stocken gerät, dann läuft halt vieles schief in der EU. Ich habe eine sehr hohe Meinung über die Rolle Deutschlands innerhalb Europas – doch dazu bräuchte es Politiker wie Helmut Schmidt, den ich für einen der größten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts halte. Aber solche Politiker gibt es heute nicht mehr. Die EU steckt in einer Sackgasse – und es ist sehr schwer, da wieder herauszukommen.

Das klingt nicht gerade optimistisch …
Es ist absolut verrückt, dass Großbritannien sich nun außerhalb der EU bewegt. Der stärkste Teil Europas war in meinem Bewusstsein
die Dreifaltigkeit von Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Nicht umsonst habe ich TRIPTYCH als Titel für unser Album gewählt.

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