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Das letzte Wort: John Lydon

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Das letzte Wort: John Lydon

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john lydonJohnny Rotten alias John Lydon. Der große, alte Herr des Punk. Einer der wenigen Künstler, zu denen man nicht mehr viele Worte verlieren muss. Ein notorischer Querulant, der sich während seiner mittlerweile gut 40-jährigen Karriere nicht immer nur Freunde, sondern durch seine unverblümten, provokanten Aussagen auch mächtige Feinde gemacht und nebenbei eine ganze Subszene musikalisch sowie ideologisch geprägt hat.

Als angriffslustiger Frontmann der berüchtigten Sex Pistols wurde er berühmt, seine Nachfolgeband PiL gilt bis heute als eine der innovativsten New-Wave- und Post-Punk-Formationen. Nachdem Lydon seine neue Autobiografie „Anger Is An Energy“ veröffentlicht hat, spricht er auch auf dem aktuellen PiL-Album WHAT THE WORLD NEEDS NOW… wieder Klartext.

Mit WHAT THE WORLD NEEDS NOW… veröffentlichen PiL schon das zweite komplett eigenfinanzierte Album – die ultimative Unabhängigkeit!
Das stimmt. Ich habe die ganze Kohle, die ich vor ein paar Jahren mit meinen Werbespots für eine britische Buttermarke eingesackt habe, in die Band gesteckt. Damals hätten mich die Leute am liebsten dafür lebendig verbrannt; heute sagen sie, es wäre ein schlauer Schachzug gewesen.

Du wurdest schon immer für deine klaren Worte gefürchtet – das hat sich auch auf der neuen Platte nicht geändert.
Ich habe schon immer versucht, so ehrlich und offen wie irgend möglich zu sein. Das ist alles. Sobald man gewisse Gedanken äußert, gibt es gewisse gesellschaftliche oder religiöse Institutionen, die versuchen, dies zu unterbinden. Das macht mich in ihren Augen zu einem Feind und zu einem großen Problem. Und ich liebe es, ein Problem zu sein! Aber es gab da draußen immer irgendwelche selbsternannten Richter, die über mich befunden haben und denen ich grundsätzlich auf den Schlips getreten bin, egal, was ich auch gemacht habe. Zumindest gebe ich den Leuten immer einen guten Anlass, sich über mich aufzuregen.

Gibt es heute im Vergleich zu damals zu wenige Künstler, die das System kritisieren und Missstände thematisieren?
Das Internet verbreitet heute eine Flut falscher Informationen. Jeder kann seine wirren Thesen veröffentlichen; statt der Wahrheit findet man heute fast nur Klatsch und Tratsch. Eine schreckliche Form der Kommunikation. Mir war dieser sinnlose Quatsch schon immer fremd. Ich sage den Leuten meine Meinung ins Gesicht. Loud and proud! Wenn ich Unrecht habe, lasse ich mich gerne eines Besseren belehren. Wenn ich Recht habe, sollten andere ihren Standpunkt überdenken.

„Ich liebe es, ein Problem zu sein!“

Du lebst nun schon eine Ewigkeit in Kalifornien – ist die politische und gesellschaftliche Lage in deiner alten Heimat Großbritannien heute vergleichbar mit der gegen Ende der 70er, als du mit den Sex Pistols aktiv warst?
Obwohl ich in Kalifornien lebe, bin ich trotzdem noch oft genug in Britain. Ich habe insgesamt drei verschiedene Nationalitäten: die britische, die irische und die amerikanische. Ich könnte auch die deutsche beantragen, weil meine Frau aus Deutschland kommt. Was die politische Situation betrifft: Es herrscht immer noch die gleiche unendliche Dummheit, eine konservative Regierung an die Macht zu wählen. Wobei man von Geschäftsleuten nicht erwarten sollte, nicht gierig und auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein. Doch die linke Opposition ist auch nicht viel besser. Sie könnten nicht einmal erfolgreich eine Studentenvereinigung leiten. Ich habe kein Vertrauen in Politiker, aber ich bin dafür, sich bei einer Wahl für das kleinere Übel zu entscheiden.

Warum gehst du nicht selbst in die Politik?
Weil die Politik in meinen Augen aus Lügen, faulen Kompromissen und Verleumdungen besteht. Das ist nicht meine Auffassung von Gerechtigkeit und Integrität. Solange das so bleibt, werde ich immer genug Inspirationen für meine Songs haben. Ich bin für Individualismus und für eine gewaltlose Gegenbewegung. Sobald man politische oder neuerdings auch religiöse Interessen über das Wohl der Allgemeinheit stellt, hat man schon verloren.

Kürzlich erschien die offizielle Sex-Pistols-Kreditkarte.
Eine großartige Sache. Ich wünschte, ich wäre selbst auf diese Idee gekommen. Ich werde auf jeden Fall eine beantragen. Diese Karte ist nicht nur eine Würdigung unserer Arbeit mit den Sex Pistols, sie verkörpert für mich auch den ultimativen Anarchie-Gedanken. Es ist doch eine köstliche Vorstellung, mit einer Kreditkarte zu bezahlen, auf der „Never Mind The Bollocks“ steht. Niemand hätte sich auch nur im Geringsten dafür interessiert, wenn es eine U2-Karte gewesen wäre.

Was hast du gegen U2?
Absolut nichts. Ich mag Bono sehr. Ich habe zwar komplett gegenteilige Ansichten, doch ich komme gut mit ihm klar. Das war schon immer meine Sichtweise: Ich kann auch Leute sympathisch finden, wenn ich völlig anderer Meinung bin. Natürlich gibt es auch Menschen auf der Welt, die ich absolut nicht sympathisch finde. Neil Young zum Beispiel. Ich hoffe, er bekommt auch eine von unseren Kreditkarten zugeschickt.

Oder die internationalen Geheimdienste, die dich laut britischer Quellen jahrelang beobachtet haben.
Jeder, der sich heute öffentlich zu politischen Dingen äußert, steht unter Beobachtung. Da stelle ich keine Ausnahme dar. Doch ich habe schon immer gesagt: Sie können mich abhören, solange sie wollen – sie werden nichts Falsches in meinen Aussagen finden. Es ist ein wenig wie mit den Paparazzi. Viele Künstler mögen es nicht, von ihnen gestalkt zu werden. Ich habe absolut kein Problem damit. Ich bin stolz darauf, dass sie mir in den Supermarkt folgen und mich bei meinen Einkäufen beobachten. Wenn es sie aufgeilt, wie ich eine Packung Cornflakes kaufe – super, dann nehme ich sogar zwei! Ich habe schon immer selbst eingekauft. Zu Hause repariere ich auch unsere Toilette selbst. Auf dem neuen Album findet sich sogar ein Song darüber…

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