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Ian Anderson: Die Gefahr der dünnen Ideologie

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Ian Anderson: Die Gefahr der dünnen Ideologie

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Im aktuellen Interview mit CLASSIC ROCK sprach Ian Anderson,
der britische Gentleman, über das erste Jethro-Tull-Album seit zwei Dekaden, seine neue Plattenfirma und Rechtspopulismus.

THE ZEALOT GENE ist das erste Studioalbum seit gut 22 Jahren, abgesehen vom JETHRO TULL CHRISTMAS ALBUM von 2003. J-TULL DOT COM stammt von 1999 …
Das ist korrekt. Auf der Weihnachtsplatte waren zwar auch ein paar neue Songs, aber was ein komplettes
Studiowerk unter dem Namen Jethro Tull angeht, stimmt das. 2014 habe ich einen Longplayer namens HOMO
ERRATICUS gemacht und wenn ich so zurückblicke, hätte ich das schon als Jethro Tull veröffentlichen sollen.
Weil die Jungs, die mit mir darauf gespielt haben, auch jetzt auf THE ZEALOT GENE und insgesamt schon
seit 15 Jahren dabei sind. Also denke ich, dass es ein guter Zeitpunkt war, ihnen endlich Respekt zu zollen, weil
es die langjährige Mitgliedschaft in der Band widerspiegelt.

Wie entscheidest du, was ein Jethro-Tull-Album wird und welches unter dem Namen Ian Anderson läuft?
Wenn es überwiegend akustische Musik wäre, dann wäre es wohl ein Ian-Anderson-Album. Eine Rockband-Platte würde ich wahrscheinlich Jethro Tull nennen. Für mich ist das keine große Sache. Es scheint etwas zu sein, das Journalisten und einige Fans für furchtbar wichtig halten. Ich denke darüber aber nicht allzu viel nach, da das, was ich mache, dasselbe ist. Ich spiele Flöte und einige andere Instrumente. Es ist also nichts, worauf ich wirklich viel Wert lege.

Mit THE ZEALOT GENE hast du schon 2017 angefangen. Eine lange Zeit vom Beginn bis zur Veröffentlichung, wenn man bedenkt, dass ihr für die ersten 13 Alben gerade einmal 12 Jahre gebraucht habt.
Ich habe am 01. Januar 2017 um neun Uhr morgens angefangen, das neue Album zu schreiben. Ein neues
Jahr, ein neues Projekt. Für mich hat es sich bewährt, den Timer so zu setzen. Nach ein paar Wochen hatte ich
alle Songs geschrieben. Ich schickte alles an die Band, mit einigen Demos, den Texten, den grundlegenden
Akkorden und Tempi und den musikalischen Elementen, die sie brauchten, um die Songs grob durchspielen
zu können. Dieser Prozess hat um die sechs Wochen gedauert. Später im Jahr habe ich vier Stücke komplett aufgenommen und wir waren viel auf Tour. 2018 lief es genauso. Ich habe mir immer wieder gesagt, ich muss das Album fertig bekommen. Insgesamt habe ich jedoch nur sechs Wochen für THE ZEALOT GENE gebraucht. Dazwischen kam die Pandemie und es war nicht möglich oder ratsam, mit den Jungs zusammenzukommen, zu proben und weitere Songs aufzunehmen. Also wurde das Ganze noch ein paar Monate aufgeschoben. Anfang 2021 war die Pandemie aber immer noch nicht vorbei und es wurde nun wirklich Zeit, weiter zumachen. Ich
beschloss, alle Konzerte in der ersten Hälfte des Jahres 2021 abzusagen, weil ich das Album endlich abschließen musste. So im Mai war es dann im Kasten, dann habe ich noch am Artwork gearbeitet und alles an
unsere neue Plattenfirma geliefert. Im Prinzip habe ich ziemlich schnell gearbeitet. Es war nur kein kontinu-
ierlicher Prozess.

Du hast eben euer neues Plattenlabel erwähnt. Inside Out. HOMO ERRATICUS war bei KScope angedockt, was nach einer ziemlich guten Partnerschaft aussah.
Ich habe mit sechs verschiedenen Plattenfirmen über das neue Album gesprochen und wollte eine Entscheidung treffen, die nicht darauf basiert, wie viel sie zahlen. Für mich gab es zwei wichtige Faktoren. Der eine war die Fähigkeit, das Album zu promoten und zu vermarkten. Und der andere Faktor war der Vertrieb, der tatsächliche physische Vertrieb von physischen Produkten. Und der Vorteil von Inside Out als Sony-eigenes
Label ist, dass sie über die gesamte Maschinerie einer der drei großen multinationalen Plattenfirmen verfügen. So haben wir wirklich das Beste aus beiden Welten, ein Boutique- Label und ein großes Plattenlabel fast zur gleichen Zeit. Man schöpft aus der Erfahrung des Geschäftsführers von Inside Out, der eine langjährige Praxis, eine lange Erfolgsbilanz, viel Können und Verständnis für das Geschäft hat, wie es sich im Laufe der Jahre verändert hat.


Ich habe kürzlich in einem Interview gelesen, dass einige deiner früheren Songs von Gemälden inspiriert sind.
Ist das bei den neuen Liedern auf THE ZEALOT GENE auch der Fall?
Sehr oft lasse ich mich musikalisch und textlich von visuellen Bildern inspirieren. Ich bin normalerweise
niemand, der über sich und seine Gefühle singt, und ich singe auch keine Lieder über Beziehungen, weil ich denke, dass das ein Verrat an der Privatsphäre einer Beziehung zu jemandem ist. Ich bin eher ein beobachtender Autor. Ich schreibe über reale Dinge in der Welt, sei es etwas, das ich im Fernsehen gesehen habe, oder etwas, worüber ich gelesen habe, zum Beispiel ein Bild, das ein Foto, ein bewegtes Bild oder ein Gemälde sein kann. Ich habe immer ein Bild im Kopf, wenn ich anfange, einen Song zu schreiben. Dann mache ich mich daran, diese Darstellung in einem Musikstück lebendig werden zu lassen. Bei der Arbeit an THE ZEALOT GENE habe ich mich entschieden, als ersten Bezugspunkt eher Worte als Visuelles zu verwenden. Ich wollte Songs schreiben, die von verschiedenen Arten von Emotionen handeln, von extremen Emotionen. Ich
beschloss, in der Bibel nach Beispielen für diese Emotionen zu suchen. Und ich machte mich daran, Hinweise auf die schlimmen Dinge zu finden, auf Zorn, Habgier, Rach- und Eifersucht. Ich suchte danach und fand eine
Menge davon. (lacht) Dann habe ich nach einigen der schöneren Gefühle gesucht wie Glaube, Kameradschaft,
Toleranz, verschiedene Arten von Liebe, erotische Liebe, brüderliche Liebe, spirituelle Liebe und Mitgefühl.
Schließlich habe ich mir den Text durchgelesen und dabei Bilder in meinem Kopf empfangen.

Besonders der Titeltrack klingt absolut zeitgemäß. Als hättest du ihn erst kürzlich geschrieben.
Als ich ›The Zealot Gene‹ schrieb, war ich ernsthaft besorgt über den zunehmenden Rechtspopulismus. Es
wäre ziemlich einfach, zu sagen, dass der Titelsong im Wesentlichen über Donald Trump geschrieben wurde,
aber in Wirklichkeit könnte es jeder von mindestens einem halben Dutzend Namen sein, die einem sehr
schnell einfallen, die die Extreme des Populismus repräsentieren. Leute, die Macht nutzen, um mehr Macht zu
erlangen, und versuchen, die Medien und die Presse zu kontrollieren, um die Menschen zu spalten. Und es gibt
viele von ihnen da draußen, ich werde keine Länder oder Namen nennen, aber der Song trifft auf eine ganze
Reihe von Menschen zu, die heute an der Spitze eines Landes stehen.

Das ganze Interview lest ihr in CLASSIC ROCK #107.

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